Sonntag, 16. Januar 2011

Miniaturen



Als wir im letzten Jahr in Portugal unterwegs waren, entdeckte ich im Hinterland der Algarve einen kleinen, unscheinbaren Laden. Die ausgestellte Unterwäsche (für die schon reifere Landfrau) fiel mir schon auf der anderen Straßenseite ins Auge. Da musste ich doch meiner Neugierde nachgeben. Und was entdeckte ich in einer Ecke der Auslage? Handarbeitsartikel waren neben fleischfarbenen BH´s und Korsetts in Szene gesetzt. Da musste ich unbedingt einkaufen. Nein, nicht die fleischfarbene Reizwäsche. Also betrat ich den Laden. Das Geschäft war nur so breit wie die Auslage inklusive Ladentür. Die deckenhohen Holzregale mit den ordentlich gestapelten, manchmal schon vergilbten Kartons fielen mir gleich ins Auge. Erst einmal war niemand im Laden zu sehen, auch nicht hinter dem ziemlich hohen Ladentisch. Aus dem Nichts erschien plötzlich ein kleines, älteres Männlein. Er trug einen grauen glänzenden Pullover, darunter ein weißes Hemd, dessen Kragen perfekt gestärkt war. Ein wohlriechender Duft strömte in meine Nase. Das heißt, der Verkäufer war sehr gepflegt. Ich zeigte auf die Auslage, worauf der Mann hinter der Ladentheke hervortrat. Ein ca. 1,5 m kleiner Mensch stand vor mir. Er trug eine anthrazitfarbene Hose mit einer Bügelfalte - ohlala!Hinter der Theke gab es ein Podest, damit die Kundschaft auch den Verkäufer sehen konnte. In der Auslage zeigte ich auf ein rotes Häkelgarn, das einen Glanz hatte, wie ich es bei uns noch nie gesehen hatte. Daraufhin legte er eine knallrote und dunkelgrüne Rolle auf den Ladentisch. Er sprach kein Deutsch und kein Englisch, und ich kein Portugiesisch. Das begehrte Garn wollte ich in weiß oder einer Naturfarbe. Auf dem Tresen lag ein Karton in vergilbtem Weiß. Ich deutete darauf, in der Hoffnung, er versteht diese Sprache. Der Verkäufer öffnete den Karton, klappte das Seidenpapier auf die Seite und da sah ich meinen Traum - einen wunderschönen fleischfarbenen BH, für Omis über 80. Da stand ich dem Verkäufer und dem BH gegenüber und wusste vor Lachen gar nicht mehr, wie ich ihm beibringen sollte, das ich helles Garn wollte. Ein weißes Stickgarn war meine Rettung. Als ich dem Verkäufer dies zeigte, erhellte sich sein Gesicht – er hatte begriffen. Er redete auf mich in seiner Sprache ein, ging an mir vorbei zur Ladentüre, schloss sie und sperrte von innen ab. Meine Gedanken gingen über Vergewaltigung bis zu Raub. Mir wurde aber sehr schnell klar, dass ich in der besseren Lage war. Aus der anderen Ecke zog das Männlein eine Leiter hervor, schleppte es zum Regal hinter der Ladentüre. Nun war mir klar, warum er absperrte, er wollte ja nicht von einem weiteren Kunden von der Leiter gestoßen werden. Ich klammerte mich an die Leiter, um den Mann samt Leiter zu sichern. Aus der obersten Reihe holte er einen Karton und gab ihn mir mit dem Hinweis zu öffnen. Da war es nun, das begehrte Häkelgarn. Der Mann kam wieder von der Leiter und öffnete die Ladentüre. Als wir den Handel abgeschlossen hatten, bedankte sich der Verkäufer mit einer kleinen Verbeugung. Er geleitete mich zur Ladentüre und verabschiedete mich mit einer ziemlich tiefen Verbeugung. Mit einem Blick aus dem Augenwinkel vergewisserte ich mich, dass mein liebenswerter charmanter Verkäufer wieder in die aufrechte Haltung kam. Als ich um die Ecke war, musste ich erst einmal aus vollem Herzen lachen.
Und immer wenn ich nun das Garn in die Hand nehme, denke ich mit einem Lächeln an das Kaufabenteuer. Der Gentleman aus Portugal inspirierte mich nun zu diesen romantischen Häkelblütenträumen und zu dem kleinen Täschchen.



Liebe Grüße
heidi

14 Kommentare:

  1. Das sind die schönsten Geschichten, an die man sehr gerne mit einem Lächeln zurückdenkt. Und bei dem Anblick der kleinen Blüten fällt es dir sicher immer wieder ein. Sie sehen zauberhaft aus.
    Viele Grüße
    Rita

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  2. Hallo liebe Heidi
    Schöne Geschichten die man sich immer sehr gern wieder in erinnerung ruft. Wunderschöne Häkelarbeiten sind das.
    Dir noch liebe grüsse Marlies

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  3. Liebe Heidi,

    eine wunderschöne Geschichte und ganz zauberhafte Häkeleien,danke für das Lächeln das beides in mich zaubert :)

    Herzliche Grüße
    Barbara

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  4. Liebe Heidi, ich habe dich wieder... gefunden, lese erstmal in Ruhe und freu mich nur , dass du wieder in aalter Blogschönheit zurück bist.
    Hat sich deine Ahnenforschung doch gelohnt und das Häkeln, ja, dem kann man bei deinem Können nur treu bleiben.
    Ganz herzliche Grüße Anett

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  5. oh liebe heidi....ich liebe deine geschichten und du hast soooo schön gehäkelt...richtig schöööön!!
    ganz liebe grüsse lee-ann

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  6. Hallo Heidi, ich bin zufällig auf Deinen schönen Blog gestoßen und habe mit Vergnügen die Geschichte gelesen.

    Oh, diese kleinen wundervollen Lädchen liebe ich so! Diese charmante Bedienung zwischen dem zauberhaften Interieur, der einmaligen Lingerie ... Leider, leider sind diese Geschäfte schon lange aus unserer Stadt verschwunden.

    Deine Blüten und Täschchen sind ja einmalig! (Gibt es da eine Anleitung? ... frage ich mal frech ...)


    Es hat mir gut auf Deinem Blog gefallen. Ich komme bestimmt wieder.

    Herzlich grüßt Gisa.

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  7. Liebe Heidi,

    dieser Reisebericht klingt ganz wundervoll, oft entdeckt man eben am Orten wo man an nichts weiter denkt, ganz wundervoll Schätze.

    liebe Grüße von Betty

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  8. Wie entzaubert die Welt doch heute ist. Nichts ist mehr verborgen in Schachteln, ganz oben unter der Ladendecke. Alles ist hervorgezerrt präsentiert, mit Neonlicht begossen.
    Schön, wenn man dann so ein Juwel findet.

    GlG jane

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  9. was für eine schöne schilderung eines skuril-liebswerten abenteuers!

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  10. Liebe Heidi,
    ich liebe Deine Lebensgeschichten und diese versetzt mich in eine andere Welt...dass es so etwas noch gibt...
    Deine schönen Häkelarbeiten lassen mich dahin schmelzen...
    liebe Grüße zu Dir von Traudi

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  11. das alles gefällt mir soooo gut! ♥
    LG

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  12. Bin zum ersten Male hier gelandet und schon die erste Geschichte hat mich verzaubert. Werde nun weiterlesen, denn du verstehst es Bilder vor den Augen entstehen zu lassen! Danke und liebe Grüße aus dem Waldviertel! Luzie

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  13. Was für eine schöne Geschichte...
    Danke dafür.
    LG
    Sissi

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  14. Huhu - lebst du noch?
    Ich denke immer mal wieder an dich.
    Gerade eben auch wieder.
    Da dachte ich, ich lasse einen Gruße für dich da!
    Ich hoffe es geht dir gut und du genießt dein Leben!!!

    Grüße aus dem Seifengarten
    von Biene

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