Sonntag, 30. August 2009

Tagträume

Das Ganze spielte sich vor ein paar Tagen, an einem heißen Spätsommertag, ab. Bei Hitze suche ich mir im Garten immer ein schattiges Plätzchen für die Mittagsruhe. An jenem Tag stellte ich die Liege so, daß immer ein kleiner Luftzug die schwüle Luft angenehmer werden ließ.
Bei jedem Luftzug strich Rosenduft vom angrenzenden Rosenbeet um die Nase.

Aus der Nachbarschaft waren Kinderstimmen zu hören. Der Vater der kleinen Natalia sang mit seinem kleinen Töchterchen "Von den blauen Bergen kommen wir...."! Ich stimmte leise in den Singsang ein. Diese Szenerie rief Kindheitserinnerungen in mir wach.

Ich bin als älteste in einem "Dreimäderlhaus" aufgewachsen. Bei uns wurde kaum fotografiert, eigentlich gibt es nur drei Fotos von uns Kindern.

Zu uns kamen oft Kinder aus der Nachbarschaft zum gemeinsamen Spielen. Ich erinnerte mich an Abzählreime.

Ich und du,
Müllers Kuh,
Müllers Esel,
das bist du.

Ene mene muh, drauß bist du!
Drauß bist du noch lange nicht,
sag mir erst, wie alt du bist!

Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben,
eine alte Frau kocht Rüben.
Eine alte Frau kocht Speck,
und du bist weg.

Das Versteckspiel in unserem großen Garten waren immer besonders schön. Vor meinem geistigen Auge sah ich uns

Ringel, Ringel, Reihe,
wir sind der Kinder dreie,
wir sitzen unter'm Holderbusch
und machen alle husch, husch, husch.

Ringel, Ringel, Rosen!
Schöne Aprikosen!
Veilchen blau, Vergissmeinnicht!
Alle Kinder setzen sich!
Kikeriki!

spielen, oder auch

Machet auf das Tor! Es kommt ein goldner Wagen.
Wer sitzt darin? Ein Mann mit goldnen Haaren.
Was will er denn? Er will die Tochter haben.
Was bringt er denn? Er bringt viel schöne Gaben.

Wie sehr wünschte ich mir immer einen kleinen Bruder. Eine Nachbarin redete uns ein, wir müssten nur jeden Abend Zucker aufs Fensterbrett legen, dann käme der Storch vorbei, und würde ein Brüderchen vorbeibringen. Ich ging schon längst zur Schule, als ich noch an die Storchenstory glaubte.

Als meine Eltern mal nicht zu Hause waren, haben meine Schwestern und ich den schweren Kinderwagen vom Dachboden nach draußen geschleppt. Meine kleine Schwester musste sich reinlegen und bekam ein Kopftüchlein umgebunden. Mit der Schwester im Kinderwagen sind wir dann um die Nachbarschaft gezogen und haben jedem erzählt, das wäre unsere neue Schwester.

Meine Gedanken waren auch bei Manfred. Manfred, auch ein Nachbarsjunge kam oft zu uns. Einige hundert Meter hinterm Haus floß die Wörnitz vorbei. Eindringlich haben unsere Eltern immer davor gewarnt, an den Fluß zu gehen. Wie es immer ist, ist gerade das Verbotene interessant. Wir zogen mit Manfred zum Fluß und bestiegen ein Holzboot. Manfred fiel dabei in den Fluß. Es war an einem Vormittag. Damit die Eltern nicht mitbekommen sollten, dass wir an der Wörnitz waren, haben wir Manfred einfach entkleidet und seine Klamotten auf das Gebüsch unterm Eichenbaum zum Trocknen gelegt. Am Eichenbaum führte ein Fußweg vorbei, auf dem hin und wieder Leute unterwegs waren. Manfred versteckte sich hinter dem Gebüsch. Die Klamotten ließen wir aber zum Trocknen liegen - für jeden zu sehen. Und außerdem trocknete die Wäsche nicht bis zum Mittagessen. Unsere Eltern erzählten uns vom Wassermann, der die bösen Kinder in den Fluss ziehen würde. Lange, lange hatte ich mächtigen Respekt vor dem Wassermann.

Die Ferien mussten wir oft bei den Großeltern verbringen. Oma und Opa lebten in einem "Bauerndorf". Für die Kinder vom Dorf waren wir was ganz Besonderes. Oft kamen sie zum Ballspiel. Ich hörte direkt den Ball an die Wand des Kuhstalles meines Onkels knallen. ... Nein, es war nicht der Kuhstall, es war die Straße, auf der größere Kinder mit dem Ball spielten. Sie hatten mich aus der Kinderzeit ins Heute zurück. Ich war doch tatsächlich eingeschlafen. Aber mein Strickzeug fiel nicht aus der Hand, was darauf hindeutet, das es nur ein kurzer Schlaf war.


Letztendlich war es ein schöner Besuch in den Tagen meiner Kindheit.

Liebe Grüße

heidi

17 Kommentare:

  1. Liebe Heidi,

    so schön hast Du erzählt, ich bin ganz gerührt weil mich Deine Zeilen auch so an meine Kindheit erinnern. Dankeschön.

    Liebe Grüße
    Traudi

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  2. Ein schöner Post, liebe Heidi. Wie oft denke ich bei bestimmten Melodien oder besonders bei Düften an meine Kinderzeit zurück. Und auch die Kinderreime, die du hier aufzählst sind mir bekannt und schon beginnt mein Kopfkino. Ob es überhaupt noch Kinder gibt, die diese Reime kennen ? Oder ob das Internet und der Fernseher viel wichtiger sind ? Ich bin mir sicher, es gibt nur noch ganz wenige Kinder, denen solche Reime bekannt sind.
    Und wenn ich deine Bilder sehr, muß ich auch an meine Kinderbilder denken, so oder so ähnlich haben sie ausgesehen. Ganz kostbar, werden sie in einer Blechdose behütet, es sind auch nicht so viele. Früher wurde eben nicht so oft fotografiert. Ach ja...seufz, die gute alte Zeit.
    Liebe Grüße und schwelge noch ein
    wenig in deinen Erinnerungen.
    Rita

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  3. Liebe Heidi,
    ist es nicht einfach wunderbar, manchmal in die Vergangenheit zu reisen und Kindheitserinnerungen lebendig werden zu lassen. Ich liebe diese alten Kinderreime, Lieder und Spiele. Zur Zeit lese ich gerade ein Buch über vergessene Kinderspiele. Beim Lesen tauchen immer wieder Szenen meiner Kindheit auf. Tina hüpft Hinkelkästchen, spielt mit Glasmurmeln, dreht die alte Wäscheleine als Springseil, tauscht Glanzbilder - die in einer wunderbaren alten Pralinenschachtel wie ein Schatz aufbewahrt wurden und nicht zu vergessen: Gummi-Twist.
    Wir hatten lange nicht so viele Spielsachen wie die Kinder heut, aber wir konnten herrlich spielen.
    Liebe verträumte Grüße
    Tina

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  4. Liebe Heidi,
    Wie viel "Feuchte-Augen-Posts",werden mich noch berühren,du kannst erzählen,mich in deine Kindheit entfüren, meine eigenen Erinnerungen wecken,(kannstest du die Reime noch)und das alles auf deinem Blog, der wirklich ein Buch werden sollte.
    Hierfür hab Dank Anett

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  5. immer wieder erfreue ich mich riesig an deinem wunderbaren blog ! herzlich Kathrin

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  6. Ein total netter Post und er läßt einem selbst gleich mal so in die Vergangenheit träumen. Das Wochenende habe ich im Haus meiner Grosseltern im Waldviertel verbracht, die leider schon verstorben sind. Jedes Mal erinnere ich mich dann daran wie es war als ich hier Kind war und wie wir alle bei Tisch saßen oder mit den Rädern unterwegs waren. Schön, dass ich da so eine unbeschwerte Zeit hatte!
    Herzliche Grüsse
    Sabine

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  7. Liebe Heidi!
    Oh, wie wunderschön! Ich denke oft auch an meine Kindheit, und deine Fotos erinnern mich sehr an die damalige Zeit. Tagträume können so schön sein - man sieht alles so verklärt.
    Schöne Woche noch und liebe Grüße aus Österreich von Sabine

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  8. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  9. Ach Du Liebe, ich bin ganz gerührt von Deiner Geschichte. Die Reime, ja ich hör' die gerade. Vielleicht war das damals zwar ziemlich miefig und spießig in Deutschland, aber auch ein ganzes Stück in Ordnung. Manchmal sehne ich auch den Schutz und die Geborgenheit von Familie zurück. Nun sind wir die Altvorderen. Die Schwiegermutter braucht Schutz und Hilfe von uns. Und auch die Kinder - alle, von 14 bis 30 - kommen und brauchen Zuspruch. Die Firma, in der mein Sohn arbeitet hat Insolvenz angemeldet. Nun mach ich mir Sorgen, das er arbeitslos wird. Danke für Deinen schönes Post. Hat mir heute seeeehr geholfen ;-) Dir einen schönen Tag, lieber Gruß Birgit

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  10. Bei deinen schönen Post bin ich auch gleich in die Erinnerungen meiner Kindheit eingetaucht.Den Wassermann gab es bei uns auch.Er hieß Hakenmann und hatte eine große Stange mit Haken um böse und unvorsichtige Kinder in den Fluss zu ziehen.
    L.G.
    helga

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  11. Liebe Mama, es ist eine wunderschöne Reise ist eine Kindheit. Ich habe mich gerade gefragt, wie schön wir wohl zusammen gespielt hätten, wenn ich auch schon zur damaligen Zeit gelebt hätte. Ob wir uns wohl verstanden hätten? Ich glaube schon. Ich träume auch oft von den Kindertagen. Ich finde Du schreibt so schöne Geschichten. Du würdest eine wunderbare Schriftstellerin abgeben. Du hast richtig Talent!!! Ach ja, Angst vor dem Wassermann mußt Du nicht mehr haben. Um Deine Angst zu überwinden, hast Du promt einen in die Familie bekommen. Auch wenn er etwas ungehalten, launisch und unfair ist, hat er doch einen weichen Kern, und ihm tut nachher alles immer total leid. :-) Wassermänner wandeln sich ständig, kann also noch besser werden. Hab Dich sehr lieb. Grüße Diana

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  12. Hallo Heidi! Wie schön Deine nostalgische Kindergeschichte...und die Geste mit dem Zucker auf dem Fenstersims und der Storch...obersüss! Danke, dass Du uns deine Fotos gezeigt hast, die sind auch prächtig.
    Ich hoffe, dass es Dir gut geht und schicke Dir liebe Grüsse. Gute Nacht und träum süss, herzlichst Lisa Libelle
    PS: auch der Kommentar von Diana finde ich obersüss. Eure Liebe kann man so richtig spüren.

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  13. Liebe Heidi, heute nehme ich mir Zeit, nachzulesen, wo ich gerne lese - deine Fußbad-Bilder sind köstlich!
    Und die Kinderreime, die du aufzählst, kenne ich auch alle und ähnliche Erinnerungen verbinden mich mit der Vergangenheit - so geht es uns scheinbar allen und die wenigen Fotos, die es aus unserer Kindheit gibt, sind austauschbar.
    Liebe Grüße

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  14. Einen wunderschönen Post den du uns zeigst, liebe Heidi.
    Ich glaube du kannst ein Buch schreiben , denn es liest sich so schön wie du alles beschreibst.
    Die Erinnerung an die Kindheit kommt gerne zurück.

    Ich wünsche dir eine schöne Woche.
    Liebe Grüsse,
    Christine

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  15. Liebe Heidi,
    schön, dass Du uns an Deinen Kindheitserinnerungen teilhaben lässt. Was hast Du für eine schöne Kindheit verbracht und die ganzen Reime kenne ich auch noch. Aber frag mal unsere Kinder heute....nichts...sie können das Handy & Co. bedienen....aber so richtig spielen????? Ich glaube, sie wissen gar nicht, was sie verpasst haben!!! Ich erinnere mich immer gerne wieder an meine Kindheit zurück...ohne technisches Schnick-schnack!!!
    Ganz, ganz liebe Grüße Barbara

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  16. Hallo Heidi, ganz lieben Dank für Deinen netten Kommentar. Die Erstellung des eigenen Bloghintergrundes ist ein bisschen kniffelig, aber wenn Du das einmal raus hast, dann ist der Spaßfaktor angesagt. Wenn Du möchtest, kann ich Dir die einzelnen Schritte per email schicken.
    Wünsch Dir was
    Birgit

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  17. Liebe Heidi!
    Was für ein wunderschöner Post - davon hätte ich noch ewig weiter lesen können! Die Bilder dazu - das ist so schön!
    Ich war Sonntag vor einer Woche zum ersten Mal in meinem Leben an der Wörnitz - wie schön, dass ich den Ort der Begebeheit bei Lesen richtig vor Augen hatte :o)
    In meinem Esszimmer hängen ganz viele von diesen alten Bildern - durfte sie aus dem Album meiner Oma nachmachen lassen. Irgendwie habe ich wohl einen Hang zur Nostalgie! Die Geschichte von der Stehbrunzhose ist ja auch der Hit - kannte ich bis heute auch nicht!

    Die Fotos von Eurer kleinen Oase im Garten sind wieder traumhaft schön! Du hast alles mit so viel Liebe zum Detail eingerichtet und dekoriert!

    Liebe Grüße
    Melanie

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