Aus der Nachbarschaft waren Kinderstimmen zu hören. Der Vater der kleinen Natalia sang mit seinem kleinen Töchterchen "Von den blauen Bergen kommen wir...."! Ich stimmte leise in den Singsang ein. Diese Szenerie rief Kindheitserinnerungen in mir wach.
Ich und du,
Müllers Kuh,
Müllers Esel,
das bist du.
Ene mene muh, drauß bist du!
Drauß bist du noch lange nicht,
sag mir erst, wie alt du bist!
Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben,
eine alte Frau kocht Rüben.
Eine alte Frau kocht Speck,
und du bist weg.
Das Versteckspiel in unserem großen Garten waren immer besonders schön. Vor meinem geistigen Auge sah ich uns
Ringel, Ringel, Reihe,
wir sind der Kinder dreie,
wir sitzen unter'm Holderbusch
und machen alle husch, husch, husch.
Ringel, Ringel, Rosen!
Schöne Aprikosen!
Veilchen blau, Vergissmeinnicht!
Alle Kinder setzen sich!
Kikeriki!
spielen, oder auch
Machet auf das Tor! Es kommt ein goldner Wagen.
Wer sitzt darin? Ein Mann mit goldnen Haaren.
Was will er denn? Er will die Tochter haben.
Was bringt er denn? Er bringt viel schöne Gaben.
Wie sehr wünschte ich mir immer einen kleinen Bruder. Eine Nachbarin redete uns ein, wir müssten nur jeden Abend Zucker aufs Fensterbrett legen, dann käme der Storch vorbei, und würde ein Brüderchen vorbeibringen. Ich ging schon längst zur Schule, als ich noch an die Storchenstory glaubte.
Als meine Eltern mal nicht zu Hause waren, haben meine Schwestern und ich den schweren Kinderwagen vom Dachboden nach draußen geschleppt. Meine kleine Schwester musste sich reinlegen und bekam ein Kopftüchlein umgebunden. Mit der Schwester im Kinderwagen sind wir dann um die Nachbarschaft gezogen und haben jedem erzählt, das wäre unsere neue Schwester.
Meine Gedanken waren auch bei Manfred. Manfred, auch ein Nachbarsjunge kam oft zu uns. Einige hundert Meter hinterm Haus floß die Wörnitz vorbei. Eindringlich haben unsere Eltern immer davor gewarnt, an den Fluß zu gehen. Wie es immer ist, ist gerade das Verbotene interessant. Wir zogen mit Manfred zum Fluß und bestiegen ein Holzboot. Manfred fiel dabei in den Fluß. Es war an einem Vormittag. Damit die Eltern nicht mitbekommen sollten, dass wir an der Wörnitz waren, haben wir Manfred einfach entkleidet und seine Klamotten auf das Gebüsch unterm Eichenbaum zum Trocknen gelegt. Am Eichenbaum führte ein Fußweg vorbei, auf dem hin und wieder Leute unterwegs waren. Manfred versteckte sich hinter dem Gebüsch. Die Klamotten ließen wir aber zum Trocknen liegen - für jeden zu sehen. Und außerdem trocknete die Wäsche nicht bis zum Mittagessen. Unsere Eltern erzählten uns vom Wassermann, der die bösen Kinder in den Fluss ziehen würde. Lange, lange hatte ich mächtigen Respekt vor dem Wassermann.
Die Ferien mussten wir oft bei den Großeltern verbringen. Oma und Opa lebten in einem "Bauerndorf". Für die Kinder vom Dorf waren wir was ganz Besonderes. Oft kamen sie zum Ballspiel. Ich hörte direkt den Ball an die Wand des Kuhstalles meines Onkels knallen. ... Nein, es war nicht der Kuhstall, es war die Straße, auf der größere Kinder mit dem Ball spielten. Sie hatten mich aus der Kinderzeit ins Heute zurück. Ich war doch tatsächlich eingeschlafen. Aber mein Strickzeug fiel nicht aus der Hand, was darauf hindeutet, das es nur ein kurzer Schlaf war.
Letztendlich war es ein schöner Besuch in den Tagen meiner Kindheit.
Liebe Grüße
heidi